Kommunale Wohnungsbaugesellschaften keine öffentlichen Auftraggeber!

Vergaberecht

Kommunalgetragene Wohnungsbaugesellschaften sind keine öffentlichen Auftraggeber!

OLG Hamburg, Beschl. v. 11.02.2019 – 1 Verg 3/15

Mit Beschluss vom 11.02.2019 hat das OLG Hamburg entschieden, dass eine kommunalgetragene Wohnungsbaugesellschaft kein funktionaler öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB ist.

Sachverhalt

Die Auftraggeberin (AG) ist eine Wohnungsbaugesellschaft, deren Eigentümerin die Stadt H ist. Die AG hat im Jahr 2015 einen Bauauftrag oberhalb des Schwellenwertes ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens vergeben. Hiergegen wandte sich der Antragsteller und stellte einen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer.

Der Antragsteller, Bieter B, war der Auffassung, es handele sich um eine De-facto-Vergabe. Der AG sei verpflichtet gewesen, den zugrundeliegenden Bauauftrag förmlich auszuschreiben, da die AG funktionale Auftraggeberin i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB a.F. (heute § 99 Nr. 2 GWB) sei. Insoweit erfülle die AG im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art. Dies ergebe sich aus der Satzung. Ausweislich der Satzung erfülle die AG ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Ferner sei die Gewinnerzielung dort nicht als Hauptzweck verankert. Die AG wandte ein, dass sie gewerblich am Markt tätig sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die AG im Wettbewerb mit anderweitigen Wohnungsbaugesellschaften stehe. Zudem bestehen weder Gewinnabführungs- noch Beherrschungsverträge mit der Stadt H. Eine Verlustausgleichspflicht sei ebenfalls nicht implementiert, sodass die AG das Insolvenzrisiko selbst trage. Die Vergabekammer hat den Antrag von B als unzulässig zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich B mit der sofortigen Beschwerde.

Rechtliche Würdigung

Ohne Erfolg! Das OLG Hamburg verneinte die öffentliche Auftraggebereigenschaft von der AG, da die Voraussetzungen des § 98 Nr. 2 GWB a.F. (heute § 99 Nr. 2 GWB) nicht erfüllt seien. Zwar nahm das Gericht an, dass die AG zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen. Zur Erfüllung jener auf Aufgaben würde die AG – so das Gericht – jedoch gewerblich tätig sein.

Das OLG verneinte mithin das Tatbestandsmerkmal „nichtgewerblicher Art“. Nichtgewerblichkeit liege immer dann vor, wenn der Markt, auf dem die juristische Person agiert, von fehlendem Wettbewerb geprägt sei, das Fehlen einer grundsätzlichen Gewinnerzielungsabsicht bestehe, sofern keine Risikoübernahme durch Dritte vorläge und die Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert werde. Nach Auffassung des Gerichts erfüllt die AG keine der vorbenannten Voraussetzungen.

Das Gericht hat sich dabei intensiv mit dem streitgegenständlichen Wohnungsmarkt auseinandergesetzt. Hierbei sei entscheidend, ob sich die AG in einer marktbezogenen Sonderstellung gegenüber Wettbewerbern befände und somit nicht mehr in einem von Wettbewerb geprägten Umfeld tätig sei. Erstaunlich ist insbesondere, dass das OLG Hamburg bereits dann ein gewerbliches Handeln im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB annimmt, wenn eine Wohnungsbaugesellschaft zwar ohne unmittelbare Gewinnerzielungsabsicht, jedoch nach Effizienz- und Wirtschaftlichkeitskriterien agiere.

Praxishinweis

Die jetzige Entscheidung des OLG Hamburg verneint im Gegensatz zum OLG Brandenburg (Beschluss vom 06.12.2016 – 6 Verg 4/16) und zur VK Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 21.12.2017 – VK 1-24/17) die öffentliche Auftraggebereigenschaft einer kommunalgetragenen Wohnungsbaugesellschaft.

Ob und inwieweit es sich hierbei um eine Änderung der bisherigen Spruchpraxis bedeutet, bleibt abzuwarten. Es dürfte weiterhin eine Frage des Einzelfalls bleiben, ob die Voraussetzungen des § 99 Nr. 2 GWB vorliegen. Hierbei vermag die Satzung indiziellen Charakter aufweisen. Nach der Entscheidung des OLG Hamburg ist jedoch insbesondere auf das aktuelle Auftreten am Markt abzustellen.

Hinweis: Die angesprochene Thematik kann hier nur schlagwortartig und in der gebotenen Kürze wiedergegeben werden. Die Lektüre ersetzt mithin keine Rechtsberatung.